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Urteil Appellationsgericht (BS - ZB.2021.6 (AG.2021.153))

Zusammenfassung des Urteils ZB.2021.6 (AG.2021.153): Appellationsgericht

Der Text handelt von einem Scheidungsverfahren zwischen C____ und D____, bei dem das Zivilgericht die gemeinsame elterliche Sorge über ihre Kinder anordnete. Nach der Scheidung reichten die Kinder eine Beschwerde ein, in der sie forderten, dass die alternierende Obhut aufgehoben wird und sie beim Vater wohnen können. Das Appellationsgericht entschied jedoch, dass die Kinder nicht berechtigt sind, den Entscheid anzufechten, da sie bereits über eine Kindesvertretung informiert wurden und diese abgelehnt haben. Zudem wurde festgestellt, dass A____, eines der Kinder, mittlerweile volljährig ist und somit die Regelung der Obhut und Betreuungsanteile nicht mehr relevant ist. Das Gericht verzichtete auf die Erhebung von Gerichtskosten für das Berufungsverfahren.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts ZB.2021.6 (AG.2021.153)

Kanton:BS
Fallnummer:ZB.2021.6 (AG.2021.153)
Instanz:Appellationsgericht
Abteilung:
Appellationsgericht Entscheid ZB.2021.6 (AG.2021.153) vom 11.03.2021 (BS)
Datum:11.03.2021
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Scheidung
Schlagwörter: Berufung; Entscheid; Kindes; Kindesvertretung; Kinder; Recht; Scheidung; Zivilgericht; Eltern; Scheidungsverfahren; Obhut; Schweighauser; Zivilgerichts; Entscheids; Rechtsmittel; Auflage; Kommentar; Verfahren; Endentscheid; FamKomm; Kinds; Eröffnung; Betreuung; Berufungskläger; Berufungsbeklagte; Eingabe; Verfügung; Betreuungsanteile; Teilnahme
Rechtsnorm: Art. 113 BGG ;Art. 14 ZGB ;Art. 299 ZPO ;Art. 300 ZPO ;Art. 301 ZPO ;Art. 42 BGG ;
Referenz BGE:142 III 153;
Kommentar:
Schwander, 2. Auflage, Zürich, Art. 301 ZPO, 2015

Entscheid des Verwaltungsgerichts ZB.2021.6 (AG.2021.153)

Appellationsgericht

des Kantons Basel-Stadt

Dreiergericht


ZB.2021.6


ENTSCHEID


vom 11. März 2021



Mitwirkende


Dr. Stephan Wullschleger, lic. iur. André Equey, Dr. Patrizia Schmid

und Gerichtsschreiberin MLaw Marga Burri




Parteien


A____ Berufungskläger 1

[...]


B____ Berufungskläger 2

[...]

gegen


C____ Berufungsbeklagter 1

[...]

vertreten durch [...], Advokat,

[...]


D____ Berufungsbeklagte 2

[...]

vertreten durch [...], Advokat,

[...]



Gegenstand


Berufung gegen einen Entscheid des Zivilgerichts

vom 5. Januar 2021


betreffend Scheidung



Sachverhalt


C____ (Ehemann) und D____ (Ehefrau) heirateten am [...]. Aus der Ehe gingen die gemeinsamen Kinder A____, geboren [...] 2003, und B____, geboren [...] 2006, hervor. Seit dem 5.November 2012 leben die Ehegatten getrennt. Im Rahmen des Eheschutzverfahrens übertrug das Zivilgericht mit Entscheid vom 16. Oktober 2014 den Ehegatten die alternierende Obhut über die Kinder. Gemäss den Feststellungen des Zivilgerichts wurde dieses Modell in der Folge auch gelebt. Am 13. Oktober 2016 reichte der Ehemann beim Zivilgericht eine Scheidungsklage ein. Einen Antrag der Ehefrau auf Aufhebung der geteilten Obhut für die Dauer des Scheidungsverfahrens wies das Zivilgericht mit Entscheid vom 28. September 2018 ab. Die Kinder wurden am 11.November 2016, 19. Januar 2018 sowie 8. Mai und 8. Juli 2020 angehört. Mit schriftlich begründetem Entscheid vom 5. Januar 2021 schied das Zivilgericht die Ehe und regelte die Scheidungsfolgen (F.2016.615). Unter anderem erkannte es, dass die elterliche Sorge über die Kinder den Eltern gemeinsam belassen wird und die Kinder in der alternierenden Obhut beider Eltern mit Betreuungsanteilen von je 50% stehen. Mit Schreiben vom 5. Januar 2021 teilte das Zivilgericht den Kindern die sie betreffenden Teile des Dispositivs des Entscheids vom gleichen Tag mit.


Mit einer auf Französisch verfassten Eingabe vom 13. Januar 2021 (Postaufgabe 14.Januar 2021) machen die Kinder geltend, die Zivilgerichtspräsidentin habe ihnen vor sechs Monaten vorgeschlagen, dass die alternierende Obhut aufgehoben werde und die Kinder beim Vater wohnten. Die ganze Familie sei mit dieser Lösung einverstanden gewesen. Die Kinder verlangen diese Lösung. Sie wollen bei ihrem Vater wohnen und das Recht haben, ihre Mutter so oft sie wollen zu besuchen. Die Zivilgerichtspräsidentin stellte die Eingabe der Kinder den Eltern zu, stellte unter anderem fest, dass das Verfahren vor dem Zivilgericht mit dem schriftlich begründeten Entscheid vom 5. Januar 2021 abgeschlossen worden sei, und leitete die Eingabe der Kinder zuständigkeitshalber an das Appellationsgericht weiter für den Fall, dass sie als Rechtsmittel verstanden werden soll (Verfügung vom 18. Januar 2021).


Die Akten des Zivilgerichts (F.2016.615 und EA.2012.12990) wurden beigezogen. Berufungsantworten wurden nicht eingeholt. Der vorliegende Entscheid erging auf dem Zirkulationsweg.



Erwägungen


1.

1.1 Der Endentscheid des Zivilgerichts vom 5. Januar 2021 im Scheidungsverfahren der Eltern ist mit Berufung anfechtbar (Art. 308 Abs. 1 lit. a der Zivilprozessordnung [ZPO, SR 272]). Die Eingabe der Kinder vom 13. Januar 2021 kann als sinngemässe Berufung gegen die Regelung der Obhut und der Betreuungsanteile durch diesen Entscheid verstanden werden.


1.2

1.2.1 Eine Prozessvoraussetzung des Berufungsverfahrens ist die Legitimation zur Berufung (Seiler, Die Berufung nach ZPO, Zürich 2013, N 83).


1.2.2 Abgesehen von im vorliegenden Fall nicht einschlägigen Ausnahmen hat ein Kind ohne Kindesvertretung im Scheidungsverfahren seiner Eltern keine Parteistellung (Josi, Rechtsmittel des urteilsfähigen Kindes gegen Entscheide in eherechtlichen Verfahren ohne Vertretung?, in: FamPra.ch 2012, S. 519, 527; Schweighauser, in: Schwenzer/Fankhauser [Hrsg.], FamKomm Scheidung, 3. Auflage, Bern 2017 [nachfolgend Schweighauser, FamKomm], Anh. ZPO Art. 299 N43f.). Gemäss Art.298 Abs. 3 und Art. 299 Abs. 3 ZPO kann ein urteilsfähiges Kind die Verweigerung der Anhörung und die Nichtanordnung einer Kindesvertretung im Scheidungsverfahren seiner Eltern mit Beschwerde anfechten. Die Legitimation eines Kinds ohne Kindesvertretung zur Berufung gegen einen Endentscheid im Scheidungsverfahren seiner Eltern ist in der ZPO hingegen nicht vorgesehen (vgl.Josi, a.a.O., S. 519, 524 f.). Gemäss Art. 301 lit.b ZPO wird ein Endentscheid im Scheidungsverfahren der Eltern einem Kind, welches das 14. Altersjahr vollendet hat, zwar eröffnet, soweit es davon direkt betroffen ist. Diese Bestimmung sagt aber nichts aus über die Legitimation des Kinds zur Ergreifung eines Rechtsmittels (Schwander, in: Gehri et al. [Hrsg.], ZPO Kommentar, 2. Auflage, Zürich 2015, Art.301 N 2; Spycher, in: Berner Kommentar, 2012, Art. 301 ZPO N 2 und 6). Durch die Bestellung einer Kindesvertretung erlangt das Kind im Scheidungsprozess seiner Eltern eine prozessuale Stellung eigener Art (vgl. BGE 142 III 153 E. 5.2.2 S. 162; Baumgartner/Dolge/Markus/Spühler, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 10. Auflage, Bern 2018, Kap. 4 N 31; Schweighauser, FamKomm, Anh. ZPO Art. 299 N 45; a.M. Cordula Lötscher, Das Kind im Unterhaltsprozess, in: Jungo/Fountoulakis [Hrsg.], Der Familienprozess, Symposium zum Familienrecht, Zürich 2020, S. 103, 108; Michel/Steck, in: Basler Kommentar, 3. Auflage 2017, Art. 300 ZPO N 5). Die Kindesvertretung kann gemäss Art. 300 ZPO in Kinderbelangen Berufung gegen einen Entscheid im Scheidungsverfahren der Eltern des Kinds erheben.


1.2.3 Wenn ein urteilsfähiges Kind im erstinstanzlichen Verfahren über sein Recht auf eine Kindesvertretung und das damit verbundene Recht auf Teilnahme am Scheidungsverfahren seiner Eltern informiert worden ist und vor der Eröffnung des Endentscheids keine Kindesvertretung beantragt hat, kann das Kind den Entscheid nicht mit Berufung anfechten und ist ihm zur Anfechtung des Entscheids mit Berufung auch nicht nachträglich eine Kindesvertretung zu bestellen (vgl. Josi, a.a.O., S.519, 524 ff.; Schweighauser, FamKomm, Anh. ZPO Art. 301 N 20; Schweighauser, in: Sutter-Somm et al. [Hrsg.], Kommentar zur ZPO, 3. Auflage, Zürich 2016 [nachfolgend Schweighauser, Kommentar zur ZPO], Art. 301 N 19; Seiler, a.a.O., N 151; vgl. ferner Jeandin, in: Commentaire romand, 2. Auflage, Basel 2019, Art. 301 N 5; Spycher, a.a.O., Art. 301 ZPO N 6; a.M. betreffend Berufung des Kinds Michel/Steck, a.a.O., Art. 301 ZPO N 13; a.M. betreffend nachträgliche Bestellung einer Kindesvertretung Pfänder Baumann, in: Brunner et al. [Hrsg.], ZPO Kommentar, 2. Auflage, Zürich 2016, Art. 301 N 5). Es wäre mit dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht vereinbar, wenn ein Kind, das in Kenntnis des Rechts auf eine Kindesvertretung und des damit verbundenen Rechts auf Teilnahme am Scheidungsverfahren keine Kindesvertretung beantragt hat, sich nach der Eröffnung des Entscheids doch noch dafür entscheiden könnte, sich am Verfahren zu beteiligen und den Entscheid anzufechten (vgl. Josi, a.a.O., S. 519, 531 und 534). Das Gleiche muss gelten, wenn eine Kindesvertretung bestellt und auf Wunsch eines urteilsfähigen Kinds vor der Eröffnung des Entscheids wieder aus ihrem Mandat entlassen worden ist. Ist das Kind im erstinstanzlichen Verfahren hingegen nicht über sein Recht auf eine Kindesvertretung und das damit verbundene Recht auf Teilnahme am Scheidungsverfahren seiner Eltern informiert worden, so ist es so zu stellen, wie wenn vor der Eröffnung des Entscheids eine Kindesvertretung bestellt worden wäre. In diesem und nur in diesem Fall kann das Kind den Endentscheid im Scheidungsverfahren seiner Eltern selbst mit Berufung anfechten und hat ihm die Berufungsinstanz eine Kindesvertretung zu bestellen (vgl. Josi, a.a.O., S. 519, 535 f.; Schweighauser, FamKomm, Anh. ZPO Art. 301 N 21 f.; Schweighauser, Kommentar zur ZPO, Art. 301 N 20; Seiler, a.a.O., N 151).


1.2.4 Im vorliegenden Fall setzte das Zivilgericht mit Verfügung vom 4. Juli 2018 für die Kinder eine Kindesvertretung ein. Damit besteht kein Zweifel, dass die Kinder über ihr Recht auf eine Kindesvertretung und das damit verbundene Recht auf Teilnahme am Scheidungsverfahren ihrer Eltern informiert worden sind. Beide Kinder lehnten Gespräche mit der Kindesvertretung ab (angefochtener Entscheid E. 4.4). Auf Wunsch beider Kinder und gestützt auf die Vorbringen der Kindesvertretung entliess das Zivilgericht diese mit Verfügung vom 10. Juni 2019 wieder aus ihrem Mandat (Verfügung vom 18. Januar 2021 Ziff. 4; vgl. angefochtener Entscheid E. 4.4). Damit sind die Kinder zur Anfechtung des Entscheids vom 5. Januar 2021 nicht legitimiert und haben sie auch kein Recht darauf, dass ihnen zur Anfechtung dieses Entscheids nachträglich eine Kindesvertretung bestellt wird (vgl. oben E. 1.2.3). Auf die sinngemässe Berufung der Kinder ist daher nicht einzutreten.


1.3 Auf die sinngemässe Berufung von A____ wäre im Übrigen auch mangels Rechtsschutzinteresses nicht einzutreten (vgl. Art. 59 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a ZPO). Die sinngemässe Berufung richtet sich nur gegen die Regelung der Obhut und der Betreuungsanteile. Am [...] 2021 wurde A____ volljährig (vgl. Art. 14 ZGB). Damit endete die elterliche Obhut und Betreuung. Folglich ist die Regelung der Obhut und der Betreuungsanteile im angefochtenen Entscheid bezüglich A____ gegenstandslos geworden und hat dieser kein schutzwürdiges Interesse mehr an deren Aufhebung Abänderung.


2.

Auf die Erhebung von Gerichtskosten für das Berufungsverfahren wird in Anwendung von § 40 des Gerichtsgebührenreglements (GGR, SG 154.810) umständehalber verzichtet.



Demgemäss erkennt das Appellationsgericht (Dreiergericht):


://: Auf die sinngemässe Berufung von A____ und B____ vom 13. Januar 2021 (Postaufgabe 14. Januar 2021) gegen den Entscheid des Zivilgerichts vom 5.Januar 2021 (F.2016.615) wird nicht eingetreten.


Auf die Erhebung von Gerichtskosten für das Berufungsverfahren wird verzichtet.


Mitteilung an:

- Berufungskläger 1

- Berufungskläger 2

- Berufungsbeklagter 1

- Berufungsbeklagte 2

- Zivilgericht Basel-Stadt


APPELLATIONSGERICHT BASEL-STADT


Die Gerichtsschreiberin

MLaw Marga Burri


Rechtsmittelbelehrung


Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 72 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) innert 30 Tagen seit schriftlicher Eröffnung Beschwerde in Zivilsachen erhoben werden. In vermögensrechtlichen Angelegenheiten gilt dies nur dann, wenn der Streitwert die Beschwerdesumme gemäss Art. 74 Abs. 1 lit. a b BGG erreicht (CHF15'000.- bei Streitigkeiten aus Miete Arbeitsverhältnis bzw. CHF30'000.- in allen übrigen Fällen) wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt. Die Beschwerdeschrift ist fristgerecht dem Bundesgericht (1000 Lausanne 14) einzureichen. Für die Anforderungen an deren Inhalt wird auf Art. 42 BGG verwiesen. Über die Zulässigkeit des Rechtsmittels entscheidet das Bundesgericht.


Ob an Stelle der Beschwerde in Zivilsachen ein anderes Rechtsmittel in Frage kommt (z.B. die subsidiäre Verfassungsbeschwerde an das Bundesgericht gemäss Art. 113 BGG), ergibt sich aus den anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen. Wird sowohl Beschwerde in Zivilsachen als auch Verfassungsbeschwerde erhoben, sind beide Rechtsmittel in der gleichen Rechtsschrift einzureichen.



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